Else von Freytag-Loringhoven's Poem "Schalk/Herbst" [ca. 1917] & 'Fanny Essler's 1904/05 Sonnets with reference to Greve's 1907 "Fall" Poem "Erster Sturm" Parallel Texts*
* Table adapted from my article "Fanny Essler's Poems: Felix Paul Greve's or Else von Freytag-Loringhoven's?" Arachne: An Interdisciplinary Journal of Language and Literature, v. 1, no. 2 (1994), 165-197.
Else v. Freytag-Loringhoven "Schalk"(Natur)
1. Der Herbst, im grün und bronzenen Metall, Sitzt an dem flachen Fluss, beim Wasserfall.
2. Die Bäume brausen girr, der Wind schwirrt lau Sein Haar gleisst Flitter Gold, sein Aug glitzt blau 3. Sein Mund so rot wie Blut blickt streng wie Wein, Im Knie gebogen steht sein rechtes Bein. 4. Um enge Schenkel, alabastertot Wirft sich der Mantelschwall, verbeenenrot. 5. Weiss, seine grosse, weite Mörderhand Streift glänzend um das kniegestützt Gewand. 6. Geschnitten in geglättetes Gestein, Erglimmt sein Antlitz, hehr wie das des Kain. 7. Auf seiner Hochstirn brauner Haselnuss Karfunkelsteine zucken mit dem Fluss -- 8. Er sitzt, ein roter Specht lacht wie ein Narr, Sein Aug ist blau, sein Sonnenherz ist starr. 9. Um seine Scharlachlippen biegt der Gram Des, der zu schlagen tief, zu töten, kam -- 10. Auf seinem Scharlachmantel liegt die Hand Die morgen dir zermorscht Getier und Land. 11. Die, jach, auch dich versehrt, du Mensch - o Wurm, Es ist der Trüger Herbst - der Tod - der Sturm! 12. Es ist Vernichtung, heulende, in Wut, Die dir das Blut verdirbt - verdünnt das Blut. 13. Es ist die Kälte, es ist alles Weh, Siehst du das Rot? Es ist der Schalkknecht - geh! 14. Glüht er auch wie ein Vogel, leuchtend schön Es ist Verwesung, wo sie tritt - Gestöhn.
| Combines Greve's 1907* "Erster Sturm" with Fanny Essler's 1904 three "Portrait" Sonnets II. Ein breites, schweres und gewölbtes Lid Die Haut verrät des Blutes rote Gänge -- Und wunde Blässe an den Rändern zieht Um gelbe Wimpern dünne Seidenhänge: Ein Auge, daß die Müdigkeiten mied, Das noch vom frechsten Denken Tat erzwänge, Das hell und unberührt die Dinge sieht Unter des Lides purpurblasser Länge -- Auf flacher Kuppel weißem Porzellan Lichtblau ein Stern mit winziger Pupille: Er leuchtet Speergeblitz und Beutezug -- Doch plötzlich legt sich - ein gespielter Wahn- Vor dieses Auge eine vage Brille: Ein Nebel: ein Gewölk: ein Maskentrug. III. Sein Mund der feinen und geschwungenen Züge Wechselt im Spiel von Scherz und Energie -- Die schmale Oberlippe ist, als trüge Sie herbe Klugheit, leichte Fantasie: Die untere schweift ein volleres Gefüge Dem schwere Sinnlichkeit das Zeichen lieh: Und beide sind der Thron der großen Lüge: Auf scharlachrotem Kissen lagert sie; Und biegt den bogenhaften Lippenrand, Schmiegt in den Winkel sich mit leisem Spott Und lächelt blöder Dummheit später Klage: Sie ist als Dienerin ihm stets zur Hand, Denn nicht ist sie ihm Herrin oder Gott: Sie schüttet bunte Zier in bunte Tage. I. Aus schmaler Wurzel festgefügtem Bau Wächst schlank und groß die weiße Hand hervor- So schimmern weiß die Hände einer Frau Ein Netz von Adern hebt die Haut empor: Darinnen leuchtet kalt ein blasses Blau Wie Wasser, das in kleinen Flüssen fror -- Die Regung jedes Fingers zeigt genau Der Rückenknochen dreigezweigtes Rohr: In spitzer Knöchel hartem Hügelrand, In breiter Nägel rosig dünnem Horn, In nervigen Fingern spielt bewußte Kraft: Jählings errötet die geneigte Hand, Die Adern schwellen dunkel -- bis im Zorn Sie marmorn glatt und bleich zur Faust sich rafft. Faksimile: 1904 'Fanny Essler' Sonnets about Greve's I. Hands, II. Eyes, III. Mouth
* "Erster Sturm" (4. & 5.)
4. Seht graugepanzert ihr die Schiffe nahn Im Westen hoch: sein bauchiges Geschwader? Schon landet ihn sein Ferge, der Orkan. Ich muß hinweg: ihr - meidet seinen Hader!
5. Und Orgelscherzi heulen schwer und schrill Zum Flattern bunter Fetzen all der Fahnen, Mit denen sich der Herbst behängen will Auf dem Fanfarenritt zu seinen Ahnen.
Die Schaubühne 3. Jg., Nr. 6 (7.2.1907), 154. (PEd, 1993, p. 55; facsim., 59a) |
| "Erster Sturm" / von Felix Paul Greve (5x4) 1. Die Dünen fliegen auf mit grünem Schopf, Sie wogen, branden, türmen sich und kippen, Und jede rennt mit jähem Widderkopf -- Zerschellend an des Waldes schwarzen Klippen. 2. Da sprengt ein Herold mit gesenktem Stab Auf gelbem Roß durch die gescheuchte Masse. Hingellt sein Horn: Bereitet euch zum Grab! Mir folgt mein Herr. Habt acht vor seinem Hasse! 3. Heraus die Banner: gelb und braun und rot, Und locker hingehängt! Bestreut den Boden!... Verachtet eurer einer sein Gebot, Den wird mitsamt der Wurzel er entroden.
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